Deklarationen richtig lesen

Neulich klebte wieder einmal ein Gratispröbchen Feuchtfutter an der Katzenzeitung. Meine Katzen freut das immer, denn Stückchen mit Sößchen, das ist für sie wie Weihnachen. Kleine Sünden sind erlaubt. Aber warum gibt es das nicht immer, wenn’s doch schmeckt? – Tja, warum gibt man seinen Kindern nicht jeden Tag Pommes mit Mayo, wenn’s doch schmeckt.
Gucken wir uns genauer an, was uns da ins Haus gekommen ist. Vorn steht drauf: WISKAS Ragout in Gelee mit Huhn 1+ years 85g
Na das klingt doch gar nicht so schlecht, nach was lecker Gekochtem. Hmmm Ragout. Gelee ist ein weiter Begriff. Das kann alles sein von geliertem Fleischsaft bis zu mit Zuckercoleur gefärbtem Wasser mit Aromen. Da aus gepressten Formstückschen ehr selten natürlicher Fleischsaft austreten dürfte, tippe ich mal auf Letzteres. Aber wie dem auch sei, diese Gelee ist es, worauf meine Katzen fliegen – so sehr, dass die blankgeleckten Formstückchen für die Kumpel übrig bleiben, die nicht zur rechten Zeit gekommen sind. Ach ja, für unsere unsere Youngsters ist das nichts, laut Aufdruck. Warum eigentlich?
Haben Sie schon mal eine Maus mit Aufdruck „nur für Katzen ab 1 Jahr“ gesehen?
Aber laßt uns das Tütchen mal umdrehen, und schauen, was eigentlich drin ist in den Formstückchen – Huhn doch hoffentlich?

Zusammensetzung:
Fleisch und tierische Nebenerzeugnisse (22%, u.a. 4% Huhn) ,
pflanzliche Eiweissextrakte,
Zucker,
Mineralstoffe

Analytische Bestandteile:
Protein 12,5%‘
Fettgehalt 2,5
anorganischer Stoff 0,2%
Rohfaser 1,2%
Feuchtigkeit 83%

Zusatzstoffe:
ernährungsphysiologische Zusatzstoffe:
VitaminB1 29,4mg Vitamin D1 259 IE Vitamin E 19,6mg Calciumjodat wasserfrei 0,44mg Kupfersulfat Pentahydrat 6mg Eisensulfat Monohydrat 46,67mg Mangan-(II)-Sulfat-Monohydrat 8,75mg Zinksulfat-Monohydrat 61,54mg
Technologische Zusatzstoffe:
Cassia-Gum 2800mg

Fangen wir mit der Zusammensetzung an: Was fällt als Erstes auf?
Wenn der Tütcheninhalt in % angegeben ist, muss die Summe 100% ergeben. Das ist logisch und wird im Normalfall auch so gemacht. Was im Normalfall auch üblich ist: Das, wovon am meisten drin ist, steht an erster Stelle. Wenn hier von dem, wovon am meisten drin ist, Fleisch und tierische Nebenprodukte, nur 22% ausmacht, wird man fragen dürfen, ob der ganze Rest von immerhin 78% ausschließlich aus dem Aufgeführten besteht. Da Zucker und Mineralstoffe nur in wenigen Gramm also auch nur wenige Prozent zugesetzt werden können, bleiben die pflanzlichen Eiweissextrakte. Die können aber nicht über 75% ausmachen, denn dann müßten sie an erster Stelle aufgeführt sein. Sie können also im Höchstfalle 21% ausmachen. Und der Rest? Es ist anzunehmen, dass es sich um zugesetztes Wasser handelt, das nicht deklariert werden muss. Wir können also davon ausgehen, dass rund die Hälfte des Tütcheninhalts zugesetztes Wasser ist. Ach ja – das leckere Gelee.
Halten wir fest: Nicht einmal ein Viertel des Tütcheninhalts besteht aus dem, was Katzen normalerweise ausschließlich fressen: aus Fleisch und tierischen Nebenerzeugnissen. Wir erfahren nicht, wie hoch der reine Fleischanteil ist. Wenn die tierischen Nebenproduckte hochwertige Innereien wären, wäre das nicht wirklich ein Problem, aber es können genau so gut geringverdauliche minderwertige Stoffe sein – u.a. z.B. 4 % Hühnerfüße, womit dann das versprochene „mit Huhn“ erfüllt wäre, denn da steht nicht: 4% Hühnerfleisch.
Widmen wir uns dem Rest: pflanzliche Eiweissextrakte
Googelt man „pflanzliche Eiweissextrakte“, so findet man den Begriff nur bei der Deklaration von Hunde- und Katzenfutter. Eine offizielle Definition gibt es nicht. Es ist einfach ein verschleiernd beschönigender Ausdruck für das Gemüt der Tierhalter. Wenn man wie ich einmal Landwirtschaft studiert hat, weiß man, wovon wir reden: von Sojaextraktionsschrot, das wegen seines hohen Eiweissgehalts in der Tiermast und Milchproduktion eingesetzt wird und von Sojakuchen, einem Restprodukt der TOFU-Herstellung, das ebenfalls vorrangig zu Tierfutter verarbeitet werden.
Und die Analytischen Bestandteile?
Um die zu ermitteln, wird das Futter einer Laboranalyse unterzogen.
Protein 12,5 %
Das ist der Eiweissgehalt. 12,6% das klingt eigentlich ganz gut. Auch Fertigfutter ausschließlich auf Fleischbasis liegen im Schnitt zwischen 10 und 11,5%. Aber wieviel tierisches Eiweiss aus Fleisch kann ein Futter enthalten, dessen feste Bestandteile nur die Hälfte des Tütcheninhalts ausmachen und die wiederum nur zur Hälfte aus tierischen Produkten bestehen? Man kann getrost davon ausgehen, dass der Löwenanteil des Eiweisses im Futter aus den pflanzlichen Eiweissextrakten stammt. Pflanzliches Eiweiss ist aber für reine Fleischfresser schwer und nicht vollständig verdaulich. In der Landwirtschaft wird daher in Futterbewertunstabellen nie mit dem absoluten Proteingehalt gerechenet, sondern mit dem „verdaulichen Rohprotein“, dessen Wert aus ein und dem selben Futtermittel für die unterschiedlichen Tierarten variiert. Unter dem Strich bleibt es also völlig offen, ob die Katzen aus diesem Futter a) überhaupt genug Eiweiss ziehen können und ob b) alle essentiellen Aminosäuren überhaupt und wen ja auch ausreichend enthalten sind.
Fettgehalt 2,5%
Das ist gerade mal halb so viel wie die Bedarfswerte für Katzen. Vielleicht ist Fett ja zu teuer?
anorganischer Stoff 0,2%
Der Fachausdruck dafür heißt „Rohasche“. Das schreibt man aber lieber nicht, weil nicht landwirtschaftlich vorgebildete Käufer denken, die Hersteller würden Asche ins Futter mischen. Obwohl denen auch das zuzutrauen wäre, ist das aber nicht der Fall. Der Wert gibt lediglich an, wieviel Asche übrig bleibt, wenn man das Futter vollständig verbrennt. Diese nicht brennbaren Reste sind mineralischen Ursprungs und für uns als Katzenhalter nicht wirklich relevant. Für Rinderzüchter dagegen zeigt ein auffallend hoher Rohaschegehalt an, dass das Futter mit Sand verunreinigt ist. Sand ist schwer und der Bauer bezahlt unter Umständen kiloweise Sand mit.
Rohfaser 1,2%
Rohfaser gibt es nur in pflanzlichen Stoffen. Ob Katzen daran überhaupt einen Bedarf haben, ist nicht eindeutig geklärt. Im Allgemeinen werden 1-2% im Futter als angemessen anegeben, womit der Rohfasergehalt dieses Futters akzeptabel ist. Rohfaser dient als unverdaulicherBallaststoff.
ernährungsphysiologische Zusatzstoffe:
Vitamine müssen bei Dosenfutter immer ergänzt gesetzt werden, weil hitzeenpfindlich. Da das auch für zugesetzte Vitamine zutrifft, dürfe bei reiner Fütterung aus der Dose/Tüte immer ein Defizit bestehen.
Technologische Zusatzstoffe:
Cassia Gum (E 499) ist ein Sojaextrakt, der im Tierfutter zur Geleeerzeugung (aha, da haben wir ja unser Gelee, also nix mit Fleischsaft) und als Stabilisator benutzt wird. In der menschlichen Ernährung wird er besonders für die Eisherstellung genutzt. Cassia Gum wird als gesundheitlich unbedenklich eingestuft, jedoch wird als Tageshöchstmenge für einem Menschen 3g angegeben. Annährend so viel ist in dem kleinen Katzenfuttertütchen, von dem man 3 täglich füttern muss, um eine mittelgroße Katze satt zu bekommen. Eine Katze, die nicht einmal 1/10 des Gewichtes eines Menschen hat, bekommt also die dreifache Tageshöchstmenge eines Menschen. Anzumerken ist allerdings, das Cassia Gum in den meisten Feuchtfuttern zugesetzt ist.

Fazit: Muss ich das wirklich noch schreiben?

Ich kann viel Geld sparen

würde ich der Empfehlung von Stiftung Warentest folgen. Meine Katzen würden am gesündesten ernährt, würde ich ausschließlich Kittekat-Dosen der Geschmacksrichtung „Häppchen mit Geflügel und Wild in Gelee“ füttern, oder auch LIDL-Coshida-Dosen der Geschmacksrichtung „feine Stückchen in Soße mit Rind“.

Wirklich? Weiterlesen