Von Katzenzucht, heren Zielen und höheren Werten

Immer mal wieder kann man es auf Züchterhomepages und in Forenbeiträgen lesen: Nur, wer die Rasse verbessert, darf sich Züchter nennen, alles andere sei Katzenvermehrung und Katzen an sich gäbe es ja wohl schon genug. Nur die Arbeit an der Verbesserung der Rasse rechtfertige überhaupt die Zucht. Gemeint ist mit der “Verbesserung” in der Regel Rassetyp und Farbe. Diese imaginäre Verbesserungsabsicht ist also das, was Katzenzucht einzig und allein legitim macht?

Fangen wir doch mal anders herum an: Was wollte Tierzucht ganz allgemein in früheren Zeiten? In der Pferdezucht ging es früher darum, z.B. starke Arbeitspferde für die Landwirtschaft zu züchten, oder zähe, wendige Kriegspferde, oder schnelle Wagenpferde. Bei den Hunden waren es Gebrauchsziele, wie Hütehunde, Jagdhunde, Wachhunde, Schutzhunde, Zughunde. Bei Rindern ging es vornehmlich immer um mehr Milch oder Fleisch., bei Schafen um Fleisch, Wolle, Milch… Die Aufzählung ließe sich fortsetzen. Aber immer ging es um Ziele, die einen ganz konkreten Nutzen versprachen und denen somit für den Menschen eine Notwendigkeit innewohnte.
Erst um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert kam als weitere Triebfeder die reine Liebhaberei hinzu: seien es Rennpferde, immer neue Hunde- oder Katzenrassen und neuerdings sogar in der Wohnung zu haltende Minischweine. Ihre Zucht entspringt reiner Liebhaberei ihrer Betreiber und sie ist möglich, weil andere Menschen, ebenfalls aus reiner Liebhaberei, Gefallen am Besitz eines solchen Tieres finden. Anders als früher oder bei reinen Nutztieren noch heute, entsprechen die Zuchtziele keinerlei Notwendigkeit. Sie sind willkürlich festgelegt.
Es ist für die Menschheit überhaupt nicht wichtig, immer noch typvollere Tiere zu züchten. Es ist reine Liebhaberei ohne einen höheren Sinn, erst recht nicht für die Lebensqualität der Tiere selbst. Im Gegenteil: Dem heren, selbstgesteckten Ziel werden Tiere bedenkenlos geopfert. Alles, was den hohen Ansprüchen an das perfekte Äußere nicht genügt, kommt weg. – Natürlich in beste Liebhaberhände. Auf den Homepages kann man dann lesen: “Ist zu Gabi und Peter gezogen” (wahlweise beliebige andere, nicht nachprüfbare Vornamen)Wer weiß, wie schwer es schon ist, für ein Jungtier, das älter als 16 Wochen ist, noch ein katzengerechtes Zuhause zu finden, dem kommen erhebliche Zweifel.
Also Zucht um der Zucht willen? Die Abgabe der überzähligen Jungtiere nur notwendiges Übel, – allenfalls willkommene Quelle zur Finanzierung der Weiterzucht?
Ad Absurdum geführt wird die ganze Sache aber spätestens, wenn Züchter, die es tatsächlich geschafft haben, sich einen Zuchtstamm aufzubauen, der dem Ideal sehr nahe kommt, grundsätzlich keine eigene Nachzucht an andere Züchter zur Weiterzucht abgeben (weil die anderen ja nur Vermehrer sind!!!). Dann erlischt der Stamm mit dem Ausscheiden seines Züchters. Er hat nichts für die Verbesserung der Rasse getan, allenfalls für seinen eigenen Nimbus.
Was also ist der Sinn von Katzenzucht? Ganz einfach: Es gibt keinen; jedenfalls keinen höheren. Der Züchter selbst hat Freude daran und wenn er Katzenliebhaber findet, denen seine Tiere gefallen und die bereit sind, für sie Preise zu zahlen, die ihm die Weiterzucht ermöglichen, sollten alle zufrieden sein. Denn letzlich besteht der einzige Sinn darin, Katzenliebhabern zu einem möglichst gesunden, hübschen Tier entsprechen seiner Vorlieben zu verhelfen.
Und genau hier beginnen mitunter die Probleme gerade der auf Typ “duchgezüchteten Linien”: Um das gesteckte Ziel möglichst ohne Umwege zu erreichen, werden diese Linien durch Inzucht und Lienienzucht gefestigt, sprich “im eigenen Saft geköchelt und konserviert”. Das Ergebnis kann man in allen Tierzuchten besichtigen: Es sind extrem typvolle Araberpferde, die jede Show gewinnen, deren Fohlen aber an angeborener Immunschwäche (erbkrankheit) sterben, Maine Coons, die ebenfalls jede Show gewinnen, aber mit 3 Jahren tot sind (HCM) oder an Hüftgelenksdysplasie leiden und Cavalier-King-Charles-Spaniel, die nur noch nach OP beschwerdefrei leben können. (Rassen bitte nur als Beispiel)
Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ebkrankheiten gibt es bei allen Tieren. Aber erst allzu großer züchterischer Ergeiz führt dazu, dass aus tragischen Einzelfällen, eine Lotterie mit maximaler Gewinnquote wird.
Eine Käuferin sagte mir einmal: “Die sollen nur auf die Gesundheit achten!” – Sie vergaß dabei, dass es in diesem Falle überhaupt keine verschiedenen Rassen gäbe. Das ist es also auch nicht.
Aber wie wäre es damit?

  • Seine Zuchttiere auch dann wertzuschätzen, wenn sie vieleicht noch nicht das non plus ultra sind, sie zu hegen, zu pflegen und liebzuhaben
  • In der Rasse schon aufgetretene schwere gesundheitliche Probleme so gut wie möglich auszuschließen.
  • Nicht immer nur nach der scheinbaren Vollkommenheit zu schielen
  • auf den nächsten kleinen Schritt warten zu können, bis die Zeit für einen Generationswechsel gekommen ist.
  • Erst dann nach der passenden Ergänzung in möglichst ganz anderen aber typmäßig ergänzenden Linien zu suchen.
  • Zufrieden zu sein, wenn die Käufer mit ihren Katzen glücklich sind
  • Und nicht zuletzt, sich von denen, die glauben, den höheren Sinn der Katzenzucht für sich gepachtet zu haben, nicht anfechten zu lassen.

Fassen wir zuammen:
Sinn und Zweck von Katzenzucht:
Nur die entsprechende Nachfrage von Katzenliebhabern legitimiert Zucht überhaupt. Was sollte aus Tierchen werden, die der Züchter nur in die Welt gesetzt hat, um seinen eigenen Idealvorstellungen näher zu kommen? Notfälle mit schlechten Vermittlungschancen gibt es genug.
Triebfeder für die Zucht
Triebfeder für den Züchter, sich mit Katzenzucht zu befassen, sollte in erster Linie die Freude an der verantwortungsvollen Aufzucht und am Umgang mit jungen Tieren sein. Das schließt Wissen um Zucht und Genetik und seine eigene Rasse ein, denn nur gesunde, rassetypische Tiere haben auch gute Vermittlungschancen. Fanatischer Ergeiz bei der Verfolgung selbstgesteckter Zuchtziele geht zu Lasten der Tiere. Berechtigte Zweifel an der Tierliebe solcher Zuchtfanatiker sind durchaus angebracht.
Zuchtziele
Zuchtziele sollte man sich mit Augenmaß, langfristig und mit Blick auf die Lebensqualität und das Schiksal der Katzen, für die man die Verantwortung übernommen hat, setzen. Manche, z.B. eine bestimmte Farbkombination, wird man womöglich weit zurückstellen oder nie erreichen. Wer seine Tiere liebt, entsorgt sie nicht, nur weil sie ihm die Traumfarbe nicht bringen können oder die ultimative Megakatze. Bewegen sich die eigenen Katzen jedoch soweit jenseits des Rassestandards, dass die Nachzucht nicht “ankommt”, so ist es ja vielleicht auch eine Option, diese Katzen zu kastriern und mit der Zucht auszusetzen, bis ein natürlicher Generationswechsel einen Neuanfang ermöglicht? Schließlich gibt es keine höhere Notwendigkeit, unbedingt züchten zu müssen.